Cândido Lima über das Werk von João Ricardo


Chronik einer Reise zu den Klängen menschlicher Erfindung

anlässlich der Ausstellung OBJECTOS SONOROS MALcriados von João Ricardo de Barros Oliveira im Ehemaligen Rathaus von Viana do Castelo, April-Mai 2021

von Cândido Lima

Im Laufe der Jahre habe ich ab und zu Hinweise auf diesen Bildhauer von Klängen und die von ihm geschaffenen Instrumente bekommen. Bekannte und Fernsehleute wiesen mich hin auf diese kuriosen, beispiellosen Instrumente und ihren einzigartigen Schöpfer, der sie selbst konzipiert und gebaut hat. Seine schlanke und skulpturale Figur sah ich ab und an in Fernsehberichten, ohne zu ahnen, dass er aus meiner Heimatstadt stammte und dass ich ihn eines Tages treffen und mit ihm über seine Kunst sprechen würde.

Am Morgen des 23. Mai 2021 wurde ich von der Eleganz der Ausstellung und der Leuchtkraft dieses Ortes unvergesslicher persönlicher Erinnerungen (Festival de Música Electroacústica 1981 und die Semanas de Música Ende der 1980er Jahre) angezogen. Von Anfang an entstand ein langer Dialog mit dem illustren Bewohner von Viana do Castelo, mit unbändiger Anziehungskraft beantwortete er mir meine Fragen. Seit seiner Kindheit zogen ihn die ihn umgebenden urbanen Klänge an, um mit ihnen zu experimentieren. In dem reichen Klangspektrum seines Percussions-Orchesters, konnte ich – geprägt von Empirismus, Pragmatismus und Intuition – Reminiszenzen und Zusammenflüsse der experimentellen Welten der Kunst des XX. Jahrhunderts beobachten und hören, von den radikalsten brillanten Handwerkern bis hin zu den anspruchsvollsten Orchestermitteln und der rasanten Entwicklung neuer Technologien. Der Künstler scheint jedoch nicht daran interessiert zu sein, über sich selbst hinauszugehen, zu Recht fasziniert und umgeben von seinen eigenen mitreißenden Kreationen, ausgestattet mit echter Magie für das Publikum und den Musiker. Besonders verführerisch an diesen Klangskulpturen ist ihre doppelte Eigenschaft, die Ästhetik der Instrumente, die zugleich als Betrachtungs- und Hörobjekte konzipiert sind, vereint Welten der Skulptur und der Akustik.

Vianas Künstler-Bildhauer des Klangs schuf diese Skulpturen als Quelle der Klangerzeugung aus Gegenständen unseres täglichen a-musikalischen Lebens. „Lixo-Luxo“ (Schrott-Luxus), wie er es nennt, vereint zwei unterschiedliche Lebensphilosophien, wie wir sie in verschiedensten Kulturen finden. Materialien aller Art, die als Instrumente verwendet werden, sind Quellen unendlicher Ergebnisse, Rohmaterial für die elektronische Erforschung einer unendlichen Anzahl von Komponisten. In Deutschland, dem Land, in dem unser Bildhauer-Musiker im Wechsel mit Portugal lebt, haben mehrere Komponisten wie Wilfried Jentzsch, der während der V. Musikwoche nach Viana do Castelo kam, elektronische Kompositionen für Skulpturen als Klangquellen geschrieben und eine Symbiose zwischen Klang und Materie geschaffen.

Versuche zur Transformation klassischer Orchesterinstrumente sind in den letzten zwei Jahrhunderten zahllos. Ein unwiderstehliches Bedürfnis der menschlichen Vorstellungskraft führte zur Schaffung unvorstellbarer Klänge, nicht nur mit dem Instrument als Protagonist, sondern mit der musikalischen Sprache als Protagonist, die den Instrumenten und Komponisten mit Innovationsgeist unendliche Kombinationen neuer Klänge ermöglichte.

Mein Besuch gemahnte mich an diese reiche Palette von Klängen und Instrumenten zwischen Akustik und unkonventionellen Klangräumen in der Geschichte der europäischen Musik des XX. Jahrhunderts. Die revolutionären Bewegungen in den Künsten der Postromantik fielen mir ein, von Namen wie Russolo, Marinetti und musikalischem Futurismus, neben anderen „Ismen“ der Künste der Zeit, wie „Motorismus“, mechanische oder Maschinen-Kunst, real und simuliert, wie in den Werken von Mossolow und Honnegger, bis zur konkreten Musik von Pierre Schaeffer und seiner Groupe de Recherches Music.

Ich evozierte den Komponisten Varèse und seine technologischen Vorahnungen und erinnerte mich vor allem an die Komponisten der Avantgarde des Musiktheaters nach 1950, an die konkrete Musik und an die elektronische Musik, bei der eine tiefe Affinität mit João Ricardos Forschungen zu finden ist – bei den großen Komponisten und Erfindern von Klang mit mechanischen und elektronischen Instrumenten wie Scriabin, Cage, Stockhausen, Kagel, Schnebel, Globokar, Ligeti, Asperghis, Xenakis, Nacarrow und eine Vielzahl anderer Persönlichkeiten, Musiker und Nichtmusiker, Kunsthandwerker und Wissenschaftler, die an der Erforschung, Schaffung und Verwendung neuer Instrumente und neuer Quellen beteiligt waren, die zu großen musikalischen Werken der Gegenwart führten.

Aufmerksam den Klängen der Instrumente dieser Ausstellung lauschend, „hörte“ ich in einigen von ihnen elektronische Musik, in der große, dichte und facettenreiche Klänge erklangen, die mit dem Gefühl einer totalen Identifikation zwischen Instrument und dem Ingenieur aktiviert wurden. Tatsächlich erwiesen sich die zum Teil verwendeten Materialien akustisch als Quellen immenser Potenziale jenseits der Instrumente selbst. Ich erinnerte mich an so viele Klänge, die der Mensch im Laufe der Zeit erfunden hat, auf der Straße oder auf großen Bühnen der westlichen Welt.

João Ricardo ist ein Einzelgänger, doch in seiner Leidenschaft erschuf er eine faszinierende Klangwelt, konnte geheime Bereiche einer anderen Akustik erforschen, in Dialogen zwischen Schöpfer, Instrument und Interpret. Ich erlebte die enge Verschmelzung von Schöpfer und Manipulator, Erfinder und Tangente fruchtbarer Fantasie, in einer Symbiose zwischen Müll und Luxus, einem der Archetypen seines Forschungs- und Ausdrucksprogramms. Neben den in der Ausstellung präsentierten Instrumenten hat der „Komponist-Erfinder“, wie sich João Ricardo selbst nennt, noch viele andere Instrumente gebaut, die in der Ausstellung nicht gezeigt werden konnten und die andere Eigenschaften und andere akustische und musikalische Potenziale aufweisen.

Ich wagte es kaum, die Instrumente berühren. Auf meine Frage zur Aufbewahrung dieses seltenen Arsenals wurde mir mitgeteilt, dass die Instrumente in einer Halle lagern, die vom Stadtrat von Viana do Castelo zur Verfügung gestellt wurde. Der starke Eindruck, den der Dialog mit dem Schöpfer der Instrumente und der Dialog mit den Instrumenten selbst hinterlassen hat, weckte in mir Wunsch, dass dieses seltene Orchester auch ein lebendiges Forschungslabor, eine utopische, aber auch reale Werkstatt sein würde, offen für den permanenten Dialog mit unterschiedlichen Zielgruppen aller Art.

Ich stelle mir verschiedene Kräfte aus den akademischen und kulturellen Bereichen des Landes vor, die nicht nur im Sinne des Schutzes und der Bewahrung dieses Erbes eingreifen, sondern auch in der Verbreitung durch eine Dauerausstellung, die es der breiten Öffentlichkeit und den Bereichen künstlerischer und kultureller Aktivitäten ermöglicht, eine so reiche offene Sammlung zu genießen. Eine Sammlung musikalischer und multidisziplinärer Art, die Material für die exakten Wissenschaften und für die Sozialwissenschaften verbirgt, von der Musik in ihren verschiedenen Erscheinungsformen bis zu den Künsten im Allgemeinen. Es wäre eine Schande, einen so großen musikalischen Reichtum eingesperrt zu lassen, ein wahres Labor für Klangquellen konkreter Musik mit ungewöhnlichem Potenzial für die vielfältigen Entdecker, die in diesem Land in den letzten Jahrzehnten reichlich vorhanden waren.

Der Komponist Cândido Lima, geb. 1939 in Viana do Castelo, promovierte an der Pariser Sorbonne, war Professor und ehemaliger Direktor der Musikkonservatorien von Porto und Braga, sowie Koordinierender Professor an der Escola Superior de Música do Porto.

LIXOLUXOPOÉTICO - João Ricardo de Barros Oliveira